Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden

 

In wenigen Tagen werden wir es in der Liturgie wieder hören: „Vater, nimm diesen Kelch von mir, aber nicht mein, sondern Dein Wille geschehe.“ Dieses Gebet sprach Jesus im Garten von Gethsemani am Abend vor seinem Tod, als Todesangst ihn überkam wegen des bevorstehenden Leidens und Sterbens. Vermutlich hat dieser Satz mit dazu beigetragen, dass sehr viele Christen sich unter dem Willen Gottes fast reflexartig schweres Leid vorstellen.

Aber welchen Sinn hätte es, täglich um Leid zu bitten, wenn wir im Vaterunser beten: Dein Wille geschehe? Welchen Sinn hätte eine solche Bitte in unserem wichtigsten Gebet, in dem es um die Heiligung von Gottes Namen geht, um das Kommen seines Reiches, für das wir offen bleiben wollen u.s.w., also alles Dinge, die LEBEN bedeuten? Was sollte da eine Bitte um Leid?

Wie im Himmel, so auf Erden. Im Himmel leidet niemand. Also kann diese Bitte sich nicht auf schweres Leid beziehen. Im Gegenteil! Wir erbitten nichts weniger als den Himmel auf Erden!

Wie geschieht Gottes Wille im Himmel? Kein Auge hat es gesehen, aber unsere Intuition und unser Glaube sprechen von Liebe, von Fülle, von Leben pur, ewig, unzerstörbar, von Hingabe, von der Bewegung der Liebe in Gott selbst, der die Liebe selbst ist. Es sind Umschreibungen für das, was wir nicht fassen können, in unserer tiefsten Sehnsucht aber erahnen.

Gottes Wille ist Gott selbst, sagt Mechtilde de Bar. Die Heilige Schrift sagt uns: Gott ist Liebe. Ja, wir können sagen: Gottes Wille ist Liebe. Nichts ersehnen wir im Leben so sehr wie Liebe, von der Wiege bis zur Bahre. Wie kann Liebe schweres Leid für den Geliebten wollen?

Gott Vater wollte für Jesus ganz sicher nicht schweres Leid. Aber Vater, Sohn und Heiliger Geist wollten in ihrer unendlichen Liebe die Erlösung des Menschen. Und der Mensch konnte nur durch diese Liebe, die Gott selbst IST, erlöst werden. Liebe nimmt Anteil, und zwar ganz, Liebe geht mit, Liebe wirbt um das Herz des Geliebten, Liebe neigt sich dem Geleibten zu, Liebe gibt den Geliebten nicht auf, selbst wenn genau das für den Liebenden Leid bedeutet, Liebe verzeiht und kennt noch im tiefsten Abgrund Barmherzigkeit. Wir stehen mit diesen Aussagen, die niemandem von uns fremd sind, mitten im Kreuzesgeschehen…

Jesu menschliche Natur bäumte sich gegen das bevorstehende Leid auf. Der Mensch ist ja nicht zum Leiden geschaffen, und wie sollte das nicht gerade Jesus spüren in seiner unverdorbenen menschlichen Natur! Aber durch diese Bedrängnis hindurch, durch das unvorstellbare Ringen angesichts des Leidens gibtJesus den leidenden Menschen, mit dem er nun leidend und sterbend mitgeht bis zum Tod, dem erlösenden Willen Gottes anheim, der gerade in dieser Liebeshingabe zum Ausdruck kommt.

Wie kann der Himmel auf Erden sein, die so bedrängt ist von Leid, Ungerechtigkeit, Schmerz, Tod? In der Barmherzigkeit. Gottes Wille geschieht auf Erden wie im Himmel, wo Menschen sich der Barmherzigkeit öffnen und Vergebung erfahren, von Gott und voneinander, wo sie neu anfangen können. Dort spiegelt sich der Himmel auf Erden wider, wo in unserem Umgang miteinander sich Gottes Umgang mit uns spiegelt.

Ja, das wäre natürlich schon ein Hauch Himmel auf Erden. Wir sind noch weit entfernt davon. Aber gerade deswegen bitten wir ja darum! Tun wir es in diesen österlichen Tagen besonders.

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