Unser tägliches Brot gib uns heute

In der Mitte des Vaterunsers steht die Bitte um das tägliche Brot. Ist diese Bitte nicht zu banal, um ausgerechnet im Zentrum zu stehen? Sollte sie nicht besser ganz am Schluss stehen, getreu der Weisung Jesu: „Sucht zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, und alles andere wird euch hinzugegeben werden?

Abgesehen davon, dass mit dem täglichen Brot viel mehr gemeint ist als unser tägliches Frühstücksbrötchen und Abendbrot, auch viel mehr als unsere Nahrung insgesamt – es steht für ALLES, was wir zum Leben brauchen –, kann es schon aufgrund der Struktur des Vaterunsers, die ja etwas ausdrücken will, nicht am Schluss stehen, sozusagen als Zugabe nach allen geistlichen“ Bitten, als wäre alles, was mit Materie zusammenhängt, minderwertig. Das wäre nicht im Sinne des Evangeliums.

Die Bitte um das tägliche Brot steht zu Recht im Zentrum dieses wichtigsten Gebetes. Sie holt uns auf den „heiligen Boden“ unserer menschlichen Wirklichkeit im HIER und HEUTE, in der Gott gegenwärtig ist. Sie erinnert uns daran, wie sehr wir Menschen aus Fleisch und Blut sind, die auf vieles angewiesen sind, um leben zu können. Und sie erinnert uns gerade durch das Bewusstwerden unseres Menschseins hindurch an nichts weniger als an die Mitte unseres Glaubens: daran, dass Gott selbst Mensch geworden ist! Er hat unser Leben mit uns geteilt, mit all seinen Angewiesenheiten und Begrenzungen, Befreiungen und Wandlungen, Bedrohungen und Hinfälligkeiten, bis hin zum Tod – und durch seine Liebe in die Auferstehung hinein. Dieser mit Haut und Haaren teilnehmende Gott mitten in der Realität unseres Lebens ist in der Tat das Zentrum unseres Glaubens.

Von hier aus ist es eine logische Konsequenz, im „täglichen Brot “auch die Eucharistie zu sehen. Gott ist nicht nur vor über 2000 Jahren Fleisch geworden. Seine Menschwerdung, mit allem, was dazugehört, wird heute real vergegenwärtigt! In der Eucharistie wird seine Liebe heute Leib, Fleisch und Blut für uns, um uns mit Fleisch und Blut, mit Leib und Seele in seine Freundschaft aufzunehmen.

So ist die Bitte um das tägliche Brot gewissermaßen umkreist von den anderen Bitten. Diese formen unser Herz zu einer offenen Schale, um die Gaben Gottes zu empfangen, vor allem die größte aller Gaben: die leibgewordene Liebe Gottes, die die Materie nicht scheut, um in uns Gestalt zu finden.

Beim Empfangen des „täglichen Brotes “(verstanden in der ganzen Tragweite seiner Bedeutung, einschließlich der Eucharistie) empfangen wir eben nicht eine Ware, wir werden berührt vom Willen Gottes, um dessen Geschehen wir gebetet haben. Dieser Wille will uns leben lassen in Fülle, „wie im Himmel, so auf Erden, und gibt uns, was wir dazu brauchen. Das bezieht sich schon auf die natürliche Nahrung, erst recht auf die Eucharistie, in der der Wille des Vaters uns zur Speise geworden ist, wie er Jesus Speise war. In ihm geht der Himmel in die Erde ein und erneuert uns in der Kraft seiner Barmherzigkeit.

Beim vertrauensvollen Empfangen seines Leibes und Blutes kommt sein Reich in uns an, um das wir gebetet haben, in dem seine Mensch gewordene Liebe herrscht. Es kommt in uns an, mitten in der Konkretheit alles dessen, was wir erleben, erwartet in Dankbarkeit für alles, was uns zum Leben dient, und vor allem erwartet mit der Freiheit des vertrauenden Herzens.

Beim vertrauensvollen Empfangen seiner leibgewordenen Liebe wird der Name unseres Vaters im Himmel geheiligt und wir werden von allem befreit, was sein Angesicht auf dieser Welt verdunkelt.

Herr, Du Brot des Lebens, Du Leib gewordener Wille Gottes, der LEBEN für uns will, Du Mensch gewordene Liebe, die immer wieder anklopft, um in dieser Welt zu herrschen, geheiligt und angebetet werde Dein Name!

 

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