Fürchte dich nicht!

In den kommenden Monaten werden uns Worte Jesu oder Worte an Jesus aus der Apokalypse (Offenbarung des Johannes) begleiten. Die Apokalypse ist für viele ein Buch mit sieben Siegeln, wobei dieser geläufige Ausdruck auch tatsächlich von der siebenfach versiegelten Buchrolle stammt, die in einer der dort geschilderten Visionen vorkommt. Bei so viel Erschreckendem und Irritierendem darin–– jedoch nicht irritierender als das, was heutzutage Tag für Tag in der Zeitung steht ––wird leicht übersehen, dass es ein Trostbuch ist, das angesichts der zweifellos harten Wirklichkeit, die es bildlich darstellt, nur aufrichten, ermutigen, trösten, führen, Hoffnung schenken will. Es ist ein Buch mit viel persönlicher Anrede. Ja, es wird leicht übersehen, dass es außerhalb der Evangelien das einzige Buch der Bibel ist, in dem Jesus uns in direkter Anrede anspricht –- und wir ihn! -–, und das in sehr schönen, bilderreichen Worten. Und es geht wirklich direkt um uns, die wir zwischen Pfingsten und seiner Wiederkunft am Ende der Zeiten unseren Weg gehen. Lassen wir uns in unseren Gebetszeiten von diesen Worten Jesu ansprechen!  

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Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, doch nun lebe ich in alle Ewigkeit, und ich habe die Schlüssel zum Tod und zur Unterwelt.“ (Offb 1,17)

Das erste Wort, das wir im Monat September betrachten, greift den altbekannten Satz auf, der in der Heiligen Schrift uns so oft begegnet wie kein anderer: FÜRCHTE DICH NICHT!“Schauen Sie sich ruhig ein wenig in der Bibel um, wo Sie diesen Satz sonst noch finden.[1] Lassen Sie sich von Jesu Zuspruch ermutigen. Legen Sie alles, was Ihnen Angst macht, in dieses Wort hinein, in dem Jesus selbst gegenwärtig ist und Sie anspricht.

Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Hier entdecken wir ebenfalls eine Formulierung, die wir von anderen Bibelstellen her gut kennen: „ICH BIN. So stellt sich Gott im Alten Testament vor (Ex 3), so stellt uns das Johannesevangelium Jesus vor, in dem Gott selber als Mensch zu uns gekommen ist. Wie kann jemand sowohl Erster als auch Letzter sein – wenn man nicht gerade Äpfel und Birnen miteinander vergleicht? Das gibt es normalerweise nicht. Was bedeutet es aber, wenn Jesus es von sich sagt? Versuchen wir, uns dem Geheimnis der allumfassenden Liebe, die Gott selbst ist und die Mensch für uns wird, die uns sendet, begleitet und erwartet, anbetend zu nähern.

Ich war tot, doch nun lebe ich in alle Ewigkeit.“Wir sind mitten im Ostergeheimnis. Jesus spricht uns als Auferstandener an, als der, der den Weg durch den Tod bereits gegangen ist. Was löst dieser Satz in mir aus? Wie sehe ich aus dieser Perspektive meinen eigenen Tod und die vielen Tode, die mir mitten im Leben begegnen? Ich meine die vielen Situationen im Alltag, in denen mein Wille, meine Sehnsucht, mein Empfinden, meine Hoffnung, empfindlich durchkreuzt werden… Was bedeutet dieser Satz für unsere heutige Kirche?

Ich habe die Schlüssel zum Tod und zur Unterwelt. Ich erinnere mich an befreiende Situationen: Wir stehen vor einer verschlossenen Tür, wollen unbedingt hindurch, aber niemand hat den Schlüssel. Plötzlich kommt einer und ruft halb singend mit klirrender Begleitung: „Ich hab‘ den Schlüssel!“ Ein Aufatmen geht durch die Menge… Wir kennen ausweglose Situationen, Momente, die nach Tod und Unterwelt riechen, Ratlosigkeit und Verzweiflung. Wir kennen Situationen größter Schwäche und Einsamkeit, abgründiger oder hinterlistiger Bosheit, entweder von anderen oder vielleicht auch in uns selbst, und haben das Gefühl: Hier komme ich nicht mehr raus! Das nimmt mir alles Leben! Und dann gibt es natürlich den zu erwartenden leiblichen Tod… Jesus, der das Leben selbst ist, hat die Schlüssel zum Tod. Wieso „zum Tod“? Da wollen wir doch gar nicht hin! Warum nicht „zum Leben“? Ja, natürlich, zum Leben. Aber wenn es heißt zum Tod, klingt da auch Mitgehen durch. Mit uns hindurchgehen. Als der Lebendige steigt Er herab in unsere Abgründe, um sein Licht bis in die letzten Todeswinkel unseres Herzens zu bringen und die Abgründe des Todes in Abgründe der Liebe und Brunnenstuben neuen Lebens zu verwandeln. Lassen wir es zu!

 


[1] Tipp für die, die weder eine Konkordanz, noch ein Bibelprogramm besitzen: www.bibleserver.com. Oben rechts die gewünschte Übersetzung anklicken – in unseren deutschen katholischen Gottesdiensten wird in der Regel die Einheitsübersetzung benutzt –, dann oben in das leere Feld den Satz „Fürchte dich nicht“ schreiben, nebenan OK klicken – fertig! Schon wissen Sie, wo überall dieser Satz vorkommt.

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