Siehe, ich komme bald

In den kommenden Monaten werden uns Worte Jesu oder Worte an Jesus aus der Apokalypse (Offenbarung des Johannes) begleiten. Die Apokalypse ist für viele ein Buch mit sieben Siegeln, wobei dieser geläufige Ausdruck auch tatsächlich von der siebenfach versiegelten Buchrolle stammt, die in einer der dort geschilderten Visionen vorkommt. Bei so viel Erschreckendem und Irritierendem darin –- jedoch nicht irritierender als das, was heutzutage Tag für Tag in der Zeitung steht –– wird leicht übersehen, dass es ein Trostbuch ist, das angesichts der zweifellos harten Wirklichkeit, die es bildlich darstellt, nur aufrichten, ermutigen, trösten, führen, Hoffnung schenken will. Es ist ein Buch mit viel persönlicher Anrede. Ja, es wird leicht übersehen, dass es außerhalb der Evangelien das einzige Buch der Bibel ist, in dem Jesus uns in direkter Anrede anspricht –- und wir ihn! -–, und das in sehr schönen, bilderreichen Worten. Und es geht wirklich direkt um uns, die wir zwischen Pfingsten und seiner Wiederkunft am Ende der Zeiten unseren Weg gehen. Lassen wir uns in unseren Gebetszeiten von diesen Worten Jesu ansprechen!  


„Siehe, ich komme bald, und mit mir bringe ich den Lohn,  und ich werde jedem geben, was seinem Werk entspricht.“ (Offb 22,12

Also doch nicht gratis?? Hier ist doch die Rede vom Lohn! Wir haben doch gerade erst letzten Monat die Einladung Jesu betrachtet, uns „gratis“ aus der Quelle des Lebens trinken zu lassen! Wieso ist jetzt plötzlich von„Lohn die Rede? Hatten wir mal wieder Kleingedrucktes überlesen, wie neulich bei dem letzten Top-Angebot für die Handy-Flat?

Nein, Jesus spart sich nichts Kleingedrucktes“ aus, um es uns hinterher um die Ohren zu hauen.  Er spricht nur verschiedene Menschen an und rührt auch an verschiedene Saiten in jedem von uns. In den beiden letzten Monaten standen in unseren Betrachtungen vor allem die Ängstlichen („Fürchte dich nicht!“) und die Durstigen („Wer durstig ist…“) im Mittelpunkt. Jetzt können sich zunächst diejenigen angesprochen fühlen, die Ressourcen im Überfluss haben, kräftemäßig, materiell oder wie auch immer, die sich gern engagieren und natürlich auch zu Recht ein Ergebnis, einen Lohn“ erwarten, ja sogar diesen positiven Erwartungsstress “ein Stück weit brauchen, um sich ganz einzubringen. Warum auch sollte sich ihr engagierter Einsatz denn nicht lohnen?! Gott hat nichts davon, die Menschen leer ausgehen zu lassen. Sie sollen ruhig bekommen, was ihren Werken entspricht, für die sie sich so eingesetzt haben.

Aber – was ist denn ihr Werk? Ist das wirklich so großartig wie sie meinen? Haben sie nicht vielmehr Grund dafür, dankbar zu sein, dass sie überhaupt so viel leisten können, dass sie im Gegensatz zu vielen anderen geplagten Menschen relativ leicht in der Lage sind, ihre Schuldigkeit zu tun“? Wenn jemand so etwas wie Lob verdient, dann doch Gott, der sie so reich ausgestattet und befähigt hat, und dazu viele ihnen nahestehende Menschen, die sie durch die Art der Annahme, der Erziehung, der Ausbildung, der materiellen Ressourcen so gut auf die eigenen Füße gestellt haben! Natürlich mögen sie selbst nicht wenig dazu beitragen, dass ihr Leben gelingt. Aber sie können es auch! Dass sie es können, ist kaum ihr Verdienst, dass sie ihr Können einbringen, schon. Aber wenn man das eine mit dem anderen vergleicht, ist es ein verschwindend kleiner Verdienst. Während ich diese Zeilen schreibe, denke ich daran, wie viele Menschen es möglich gemacht haben, dass ich heute hier bequem vor meinem Computer sitzen und diese Zeilen schreiben kann. Es ist unmöglich, sie alle und ihre Verdienste“ aufzuzählen. Genau genommen müsste ich fast bis zu Adam und Eva zurückgehen. Demgegenüber ist mein jetziges bescheidenes Tun ein verschwindend kleines Nichts.

In seinem Wert vor Gott entspricht unser Verdienst, auf das wir oft so stolz sind, vielleicht gerade mal -– wenn man da überhaupt Vergleiche anstellen kann – dem zaghaften Lächeln eines Verbrechers, der nach einer fürchterlichen Kindheit, Jugend und kriminellen Karriere im tristen Gefängnis zum ersten Mal in seinem Leben versucht, sich der Realität seines Lebens zu stellen und zu vertrauen.

Dir gebührt Lob, singen wir in unseren Gottesdiensten. Wer wirklich in dieser Haltung lebt und aus ihr heraus sich einbringt, erkennt schnell, wer der eigentliche Grund unserer guten Werke und zugleich ihr „Lohn“ ist: Jesus Christus selbst.

Das eigentliche Werk ist der Glaube, der Ihn erwartet.

Gehen wir in dieser Haltung in unsere Gebetszeiten, vor allem jetzt im November, wo wir besonders an unsre Sterblichkeit erinnert werden. Sterblich wie wir, sind auch unsere Werke. Sie folgen uns zwar nach, wie das Buch der Offenbarung des Johannes in einem sehr schönen Hymnus singt. Aber was uns nachfolgt, ist nicht deren „großartiges Ergebnis“ (was vielleicht gar nicht so großartig ist), nicht die Anerkennung der Menschen, die auf Erden nicht selten das einzige war, was uns im Zusammenhang mit unseren Werken wirklich interessierte und vielleicht sogar einzig motiviert hatte, sondern die Liebe, die wir in jedes noch so unscheinbare Tun investiert haben. Die bleibt.

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