Kreuzweg

Seit Jahrhunderten beten Christen den „Kreuzweg“. Im Gegensatz zu vielen anderen christlichen Gebeten ist der „Kreuzweg“ kein vorformuliertes Gebet, sondern eine Betrachtung anhand von „Momentaufnahmen“ aus Jesu Leidensweg. Man könnte sagen: eine Lectio Divina mehr der Bilder als der Worte. Es geht darum, Jesu Leidensweg innerlich nachzuvollziehen.

Vielleicht kennst Du das aus Deinem eigenen Leben: Wenn Du einen schweren Weg gehen musstest, etwa durch Krankheit oder durch ein Unglück, und Du hast den Weg überstanden, wirst Du immer wieder innerlich die Stationen des Weges nachgehen. Es sind vor allem Bilder, die Du vor Deinem inneren Auge vorüberziehen lässt, um allmählich zu begreifen, was da geschehen ist. Das gilt nicht nur für Dein eigenes Leiden, sondern auch für das Deiner Liebsten, das Dich kaum weniger trifft als sie. Geschieht dieses Gedenken im Rahmen gesunder Grenzen, so verliert es sich nicht in der düsteren Erinnerung an das Leiden, sondern erahnt zunehmend so etwas wie Sinn im Erlebten, wie eine Hintergrundmelodie, die von LEBEN spricht – um so mehr, wenn Du inzwischen das Leiden überstanden hast und daran gewachsen bist.

So ähnlich ist es, wenn Christen den Kreuzweg beten. Sie wollen Jesus nahe sein, die letzten Stationen seines irdischen Lebens und seines unvorstellbaren Leidens nachgehen. Aber sie tun es als Menschen, die an die Auferstehung glauben. Und als solche glauben sie an die Liebe, die den Tod überwunden hat, die bei den Menschen bleibt und mit ihnen durch den absoluten Nullpunkt hindurchgeht zum LEBEN. Sie geht mit ihnen hindurch als göttliche Liebe, die als Mensch zu den Menschen kam und Zeugnis von sich gab, um den Menschen Anteil an ihrem unendlichen LEBEN zu geben – und sie revidierte dieses Zeugnis NIEMALS, auch angesichts der Bedrohung nicht, selbst angesichts der grausamen Hinrichtung nicht. Keinen Augenblick – bis zum letzten Schrei des von Menschen Verworfenen. Lieber bezahlte Jesus mit dem Tod als seine Liebe zu revidieren. Sie ist es, die uns erlöst hat, nicht das Leiden an sich. Aber dieses gab Zeugnis von ihrer Größe.

Wir laden Dich ein, Dich auf die folgenden Kreuzwegbilder aus unserem Klostergarten einzulassen. Dieser Kreuzweg hat die Eigentümlichkeit, dass er eine Station mehr hat als üblich. Er endet nicht mit der Grablegung, sondern mit der Auferstehung. Wir beten den Kreuzweg als österliche Menschen, die um den Sieg der Liebe Gottes wissen. Wir beten ihn als Menschen, die in Christus und mit Ihm Leiden und Tod bereits überstanden haben, weil sie an seinen Sieg über den Tod glauben.

Der Komponist Franz Liszt hat übrigens einen wunderbaren musikalischen Kreuzweg komponiert (siehe Verlinkung). Er kann als musikalische Begleitung während Deiner Kreuzwegbetrachtung dienen. Für Menschen, die Sinn dafür haben, kann diese Musik neue Tiefen eröffnen, um einen Hauch von Gottes Liebe zu erahnen.

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