Ich-bin-Worte des Johannesevangeliums

In den nächsten Betrachtungen sollen uns die sogenannten „Ich-bin-Worte“ des Johannesevangeliums begleiten. Warum sind sie so wichtig? Uns sollte es heute wohl nicht schwer fallen, solche Selbst-Inszenierungen Jesu gelten zu lassen, da wir uns ja auch ständig selbst inszenieren. Wir bestimmen mit aller Selbstverständlichkeit, was wir sein wollen, machen Selfies und laden sie hoch… Warum soll sich Jesus da nicht hinstellen und sagen: Ich bin Brot, Licht, Tür, Hirt, Auferstehung, Weg, Wahrheit und Leben? Diese Selbstaussagen Jesu wurden einst in die „Netzcommunity“ der Heiligen Schrift „hochgeladen“, in den Kanon der Bibel. Aber – sind das wirklich bloße „Selfies“? Wollte Jesus uns sozusagen Bilder von sich schicken, wie wir sie uns gegenseitig schicken, in Erwartung unserer likes?

Brot, Licht, Tür, Hirt, Weg, Wahrheit, Auferstehung, Leben – das ist doch elementares Leben! Ohne Nahrung und Licht können wir nicht leben, und ohne dass uns eine Tür, ein Lebensweg eröffnet wird, auch nicht. Führung und Geborgenheit, im Bild des Hirten zusammengefasst, gehören ebenso elementar zu unserem Leben. Auf Wahrheit können wir genau so wenig verzichten, so relativistisch sie heute auch dargestellt werden mag. Wir müssen uns darauf verlassen können, dass das, was uns als gut und lebensfördernd angeboten wird, auch wahr ist.  Und Auferstehung! Auferstehung aus den vielen Scherbenhaufen, die wir erleben, Auferstehung an jedem Morgen nach dem Schlaf der Nacht, Auferstehung nach dem letzten Trümmerhaufen, dem Tod.

Nein, es greift zu kurz, Jesu „Ich-bin-Worte“ als oberflächliche Selbstinszenierungen zu sehen. Jesus wollte uns damit Leben schenken – sich selbst, nicht ein bloßes „Selfie“. Und die Einleitung „Ich bin“ ist sehr bewusst gewählt. Sie erinnert an die Selbstoffenbarung Gottes im Alten Testament: „Ich bin der Ich-bin (da)“. Das war alles andere als ein „Selfie“ Gottes, das man womöglich noch beliebig bearbeiten kann. Das war kein zu speichernder (oder zu löschender) Gott. Das war Zusage: Weg, Wahrheit, Leben. Das war Sendung, Befreiung, Verheißung. Und es bleibt spannend, diesen ICH-BIN kennenzulernen, der nichts anderes ist als das, was er eben IST und als solcher auch DA IST, während wir ständig unsere Selfies bearbeiten, verschicken und mit unseren Gedanken und Wünschen überall herumstreunen, nur nicht in uns selbst sind.

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