Ich bin das Brot des Lebens

Gleich viermal sagt Jesus im 6. Kapitel des Johannesevangeliums „Ich bin das Brot…“

Wenn man die Stellen in den Versen 35, 41, 48 und 51 nacheinander anschaut, kann man gut eine Dynamik erkennen:

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Ich bin das Brot des Lebens;

wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern,

und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.

Jesus spricht zunächst das an, was uns am unmittelbarsten betrifft, die ersten vitalen Empfindungen, die wir nach unserer „Ankunft“ in diese Welt haben und die uns das ganze Leben begleiten: Hunger und Durst – mal mehr, mal weniger gestillt.

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Ich bin das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist.

Er spricht überdies unsere spirituelle Sehnsucht an: nach dem, was „vom Himmel kommt“,  den Hunger unserer Seele nach Transzendenz, nach bleibender Erfüllung, nach Ewigkeit.

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Ich bin das Brot des Lebens.

Noch einmal nennt er sich „Brot des Lebens“, nachdem seine Zuhörer ihn bitten: „Herr, gib uns immer dieses Brot“. Er hat offenbar ihr Herz getroffen, ihren Hunger und ihre Sehnsucht geweckt.

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Ich bin das lebendige Brot,

das vom Himmel herabgekommen ist.

Ständig hat der Mensch Hunger nach Lebendigkeit, Hunger nach dem Himmel auf Erden, Hunger nach unbegrenzten Horizonten, nach bleibendem Leben. Ob es leiblicher Hunger, spiritueller Hunger, Sehnsucht nach Nähe und Gemeinschaft, nach Freiheit und Weite, nach Erneuerung oder nach bleibendem Halt ist – immer ist es Hunger nach LEBEN. Mit jedem Atemzug bringen wir unseren Lebenshunger zum Ausdruck. Jesus stellt sich selber uns als derjenige vor, der diesen Hunger nach Lebendigkeit erfüllt.

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Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch,

(ich gebe es hin) für das Leben der Welt.

Und dann kommt die Zuspitzung: Er meint es wörtlich! Meint er denn tatsächlich den Vorgang des Essens und Trinkens? Kein Wunder, dass seine Zuhörer daran Anstoß nehmen! In manchen alten Stammesreligionen, die Kannibalismus kannten, aß man das Fleisch Verstorbener und trank ihr Blut, damit sie in einem selbst weiterlebten bzw. sich ihre Kräfte auf den Esser übertrugen. Aber was rede ich von Stammesreligionen! Noch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts nahm man – im angeblich so christlichen Europa! – aus medizinischen Gründen Menschenfleisch und -blut zu sich. Natürlich bearbeitet nach bestimmten Rezepten, pulverisiert, abgefüllt als Energy-Drink oder wie auch immer , aber es ging wirklich um den Verzehr von Menschenfleisch und –blut aus den Körpern von Menschen, die eines unnatürlichen Todes gestorben waren – meistens Hingerichtete -, in jeder Apotheke zu kaufen. (Ein wenig erinnert der Ausdruck Kräuterblut noch daran). Man erhoffte sich von diesen pulverisierten Gehirnen, Schädel und abgefüllten Blutsäften Heilung und Vitalkraft – bis im Zuge der Aufklärung diese barbarischen Praktiken aufgegeben wurden.  Heute wissen wir: So meint Jesus es auf keinen Fall. Er meint schlicht und einfach die Eucharistie, bei der er uns in den Zeichen von Brot und Wein sich selber schenkt.

Aber er setzt damit eben schon beim urvitalen Vorgang des Essens und Trinkens an, der uns von frühesten Kindheitstagen an vertraut ist. Durch den Mund und die Berührung nimmt das kleine Kind die Liebe der Mutter auf. Nach dem Verlassen ihres Leibes bei der Geburt, womit die Zeit der körperlichen Symbiose aufhört, wird das Neugeborene mit Leib und Seele in ihre Liebe zärtlich aufgenommen und mit Leib und Seele nimmt das lebenshungrige Kind seinerseits ihre Liebe in sich auf – und kann sie mit der Muttermilch sogar schmecken und ihre Wärme fühlen.

In Jesus nimmt Gott uns Lebenshungrige mit Leib und Seele in seine Liebe auf und möchte, dass auch wir seine Liebe mit Leib und Seele aufnehmen, sie „schmecken“ und fühlen. Mit unserem Leib und unserer Seele, eben nicht nur in einer abstrakten Vorstellung uns mühsam „erdenken“ müssen, dass er uns liebt, sondern wirklich die Liebe aufnehmen, die für uns greifbar Leben ist und Leib wird, um uns ganz in sich aufzunehmen und in uns zu sein. Für mich ist das die größte Faszination des christlichen Glaubens: dass Himmel und Erde, Gott und Mensch so intensiv miteinander kommunizieren. Von wegen leibfeindlich! Das Geheimnis der Eucharistie ist leibfreundlich in höchstem Maße, ganz und gar menschenfreundlich, ganzheitlich! Zu Recht sagen wir, dass die Eucharistie der Kern der Kirche ist, die immer neu vergegenwärtigte Menschwerdung der unendlichen Liebe Gottes in dem, der sie kommunizierend in sich aufnimmt.

 Aber so wie Jesu Zuhörer sich über diese Aussage stritten und die einen „Worte ewigen Lebens“ spürten, während die anderen misstrauisch hinterfragten, ob Jesus sie etwa zum Kannibalismus verführen wollte, und sich daraufhin entsetzt abwandten, so streiten sich die Christen bis heute über die Bedeutung dieser Aussagen…

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